Gorillas im Nebel

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 Auf den Spuren von Dian Fossey in Ruanda

 

„Wenn Guhonda mit seinen Fäusten auf die Brust trommelt, dann müssen Sie keine Angst haben. Es ist sein Begrüßungsritual. Er zeigt damit, dass er sich freut, Sie zu sehen.“ Der Ranger will uns die Angst nehmen. Aber jeder aus unserer etwa zehnköpfigen Gruppe weiß, dass er nicht die Wahrheit sagt. Denn das Trommeln auf die Brust ist kein Begrüßungsritual, sondern eine Pose, mit der ein Gorilla seinen Anspruch zum Ausdruck bringt, der Chef im Ring zu sein. Und Guhonda ist der größte und stärkste Silberrücken im ganzen Park.

Gorillas leben meistens in Gruppen von fünf bis 50 Tieren. Und jede Gruppe wird von einem ausgewachsenen männlichen Tier angeführt, dessen Rückenfell im Erwachsenenalter sich silber färbt. Daher der Ausdruck „Silberrücken“. In Ruanda gibt es sieben Gorillagruppen, die von Touristen besucht werden dürfen. Wir haben uns für die „Sabyinyo-Gruppe“ entschieden. Sie besteht aus acht Tieren, darunter Guhonda als Anführer. Die „Sabyinyo-Gruppe“ hat ihren Namen vom Mount Sabyinyo, an dem sie sich vornehmlich aufhält. Dieser erloschene, 3534 Meter hohe Vulkan liegt direkt auf der Grenze zwischen Ruanda, Kongo und Uganda und ist einer von sechs, meist in Nebel gehüllter erloschener Vulkane der Virungakette, an deren Hängen die Berggorillas leben. Vor 100 Jahren bildete der Mount Sabyinyo die Grenze zwischen Belgisch-Kongo, Britisch-Uganda und Deutsch-Ostafrika, zu dem Ruanda damals gehörte. Im Jahr 1902 sollte der deutsche Offizier Robert von Beringe in diesem Dreiländereck einen deutschen Militärstützpunkt aufbauen. In einem Brief schrieb er:

„Von unserem Lager aus erblickten wir eine Herde schwarzer, großer Affen, welche versuchten, den höchsten Gipfel des Vulkans zu erklettern. Von diesen Affen gelang es uns, zwei große Tiere zur Strecke zu bringen, welche mit großem Gepolter in eine nach Nordosten sich öffnende Kraterschlucht abstürzten. Nach fünfstündiger anstrengender Arbeit schafften wir es, ein Tier angeseilt heraufzuholen. Es handelte sich um einen männlichen, großen menschenähnlichen Affen mit einer Körperlänge von 1,5 Metern und einem Gewicht von mehr als 200 Pfund. Er hatte keine Brustbehaarung, aber riesige Hände und Füße.“[1]

Robert von Beringe war der erste Weiße, der Berggorillas gesehen hat. Das erlegte Tier wurde nach Berlin transportiert, wo festgestellt wurde, dass es sich bei dem Tier um eine bis dahin nicht bekannte Gorilla-Art handelte, eben einem Berggorilla. Man gab dieser Art in Anlehnung an Robert von Beringe den wissenschaftlichen Namen „Gorilla Beringei“.

Lange Zeit bestand die Gefahr, dass die Berggorillas zu den Tierarten gehören, die im selben Jahrhundert entdeckt und ausgerottet werden. Letztlich ist es der Amerikanerin Dian Fossey zu verdanken, dass es heute noch Berggorillas gibt. Sie kam 1967 in dieses Gebiet, wo sie zunächst von kongolesischer Seite aus damit begann, das Leben der Berggorillas zu erforschen. Im selben Jahr musste sie jedoch den Kongo auf Grund kriegerischer Auseinandersetzungen verlassen und ging auf die andere Seite der Grenze nach Ruanda. Mitten im Urwald zwischen den beiden ebenfalls erloschenen Vulkanen Karisimbi und Bisoke schlug sie ihr Camp auf, dem sie in Anlehnung an die beiden Vulkane den Namen „Karisoke“ gab.

Dian Fossey kam den Berggorillas so nahe, wie kein Mensch zuvor. Sie stellte fest, dass ihr King-Kong-Image völlig falsch ist und dass diese, sich rein vegetarisch ernährenden Tiere, die zu den engsten Verwandten des Menschen im Tierreich gehören, sich sehr friedlich verhalten, außer sie werden angegriffen. Dann trommeln sie zur Warnung zuerst mit ihren Fäusten auf die Brust und wenn dann der Angreifer immer noch nicht von seinem Vorhaben ablässt, kommt es zu einem Kampf auf Leben und Tod.

Bei unserem Besuch blieb alles friedlich. Guhonda hat kaum Notiz von uns genommen, geschweige denn mit seinen Fäusten auf die Brust getrommelt. Und er hat uns auch in Ruhe gelassen, als wir bis auf wenige Meter an die zwei Gorilla-Babys der Gruppe herankamen, die auf Grund ihres rührenden Aussehens unsere besondere Aufmerksamkeit fanden. Sehr überrascht waren wir, als einige Tiere über die Mauer kletterten, die den Urwald vom Kulturland trennt und im Kulturland die Rinde von den Bäumen abfraßen. Ob die Bevölkerung dadurch nicht einen Hass auf die Gorillas entwickele, wollte ich von unserem Ranger wissen. „Heute nicht mehr. Die Bevölkerung weiß, was sie an den Gorillas hat.“ 500 US-Dollar kostet ein einstündiger Besuch bei den Berggorillas in Ruanda. Und ein Teil dieses Geldes kommt der Bevölkerung direkt zu Gute, indem für Jugendliche aus bedürftigen Familien die kostenpflichtige Sekundarschule bezahlt wird. Darüber hinaus wird ein Teil des Geldes in die Infrastruktur gesteckt. So sind die Straßen und die Unterkünfte hier deutlich besser als in anderen Teilen Ruandas. Und schließlich wird mit diesem Geld neben dem Volcans-Nationalpark mit den Berggorillas auch der Akagera-Park im Osten, in dem u.a. Giraffen und Elefanten leben und der Nyungwe-Park im Südwesten des Landes, in dem ein Quellarm des Nil entspringt und in dem u.a. Schimpansen zu sehen sind, geschützt. Denn die Einnahmen dort sind sehr gering, weil vergleichsweise wenig Touristen kommen, obwohl diese Parks durchaus sehenswert sind. Touristen in nennenswerter Zahl kommen nach Ruanda wegen der Berggorillas.

In den 60er, 70er und auch noch in den 80er Jahren war das Verhältnis der einheimischen Bevölkerung als auch der Regierung zu den Gorillas jedoch noch völlig anders. So wurden

1969 9000 Hektar Parkgelände zum Anbau von Pyrethrum abgeholzt, dessen Blüten zu einem Insektizid verarbeitet und nach Europa verkauft werden. Es blieben 12000 Hektar für den Park übrig. Darüber hinaus waren die

Gorillas damals häufig das Ziel einheimischer Wilderer, die es teilweise auf das Fleisch der Tiere abgesehen hatten, teilweise aber auch für ausländische, finanzstarke Auftraggeber handelten. Gorillahände z.B. waren damals für reiche Amerikaner oder Europäer eine begehrte Trophäe, die sich gut als Aschenbecher in einem Wohnzimmer machten. Besonders tragisch war das Schicksal von zwei Gorillagruppen, aus deren Mitte jeweils ein Baby für einen Zoo gefangen wurde. In einem Fall starben zehn Tiere, im anderen Fall acht, die alle ihr Leben ließen, weil sie die Entführung der Gorillababys verhindern wollten.

Dian Fossey hat mit allen legalen Mitteln und äußerstem persönlichen Einsatz für das Leben der Berggorillas gekämpft. Und sie hat sich damit nicht nur Freunde gemacht. Am zweiten Weihnachtstag 1985 wurde sie in ihrer Hütte in Karisoke von Unbekannten ermordet. Sie ist wenige Meter neben ihrer Hütte auf dem von ihr angelegten Gorillafriedhof an der Seite ihres von Wilderern getöteten Lieblingsgorillas Digit beigesetzt.

 

Udo Nilius

 

Literatur zur Vertiefung:

 

Dian Fossey, Gorillas im Nebel, München 1989. (Das englische Original „Gorillas in the mist“ erschien 1983.)

Harold Hayes, Dian Fossey. Die einsame Frau des Waldes, München 1991.

Farley Mowat, Das Ende der Fährte. Die Geschichte der Dian Fossey und der Berggorillas in Afrika, Zürich 1988.

Camilla de la Bédoyère, Briefe aus Afrika. Dian Fossey – Mein Leben mit den Gorillas, München 2005.

Jörg Hess, Familie 5. Berggorillas in den Virunga-Wäldern, Basel 1992.

Matto Barfuss, Unter Berggorillas. Unterwegs zu den letzten Berggorillas dieser Erde, Stuttgart 2005.

 

Info:

 

Direktflüge von Europa nach Kigali, der Hauptstadt Ruandas, bietet Brussels Airlines ab Brüssel. Ethiopian Airlines bietet Flüge ab Frankfurt mit Umsteigen in Addis Abeba. Um die Gorillas zu sehen muss man von Kigali nach Kinigi, einem kleinen Ort in der Nähe von Ruhengeri am Fuß des Gebirges. Am besten fährt man mit einem gemieteten Geländewagen, den man auch in Kinigi braucht, von wo aus die Gorilla-Trekkings starten. Im dortigen Parkbüro kann man auch Trekkings nach Karisoke ans Grab von Dian Fossey buchen sowie den über 4500 Meter hohen Mount Karisimbi besteigen oder den 3711 Meter hohen Mount Bisoke, auf dessen Gipfel einen ein atemberaubender Blick auf einen Kratersee mit 133 Meter Durchmesser erwartet. 2007 war geplant, dass in Zukunft auch Trekkings zu Waldelefanten durchgeführt werden. Gut übernachten kann man im Kinigi guest house (http://www.rwanda-direct.com/rwanda-kinigi-guesthouse/).



[1] Zitiert bei Barfuss, 8.