Auf Gottes leise Stimme hören – „Mutter Teresa von Kairo“ und Bill Hybels fordern mit ihrem Vorbild kirchliche Leiter heraus

 

Für viele war es der emotionale Höhepunkt der Veranstaltung, vielleicht sogar so etwas wie ein heiliger Moment: Nachdem man sie als „Mutter Teresa von Kairo“ vorgestellt hatte und als Frau, die für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen wurde, bekam sie minutenlange Standing Ovations, senkte mit Tränen in den Augen immer mehr den Kopf und ging schließlich in die Knie, um den Boden der Bühne zu küssen. Ort des Geschehens war das mit mehr als 7000 Menschen voll besetzte Auditorium der Willow Creek Community Church in South Barrington bei Chicago, wo am 11. und 12. August 2011 zwölf hochkarätige Redner beim „Global Leadership Summit“ (Globaler Leiterschaftsgipfel) ihr Leitungs-Know-How weitergaben. Dabei war „Mama“ Maggie Gobran wohl diejenige, die mit ihrer Geschichte, ihrem Auftreten und ihrer Rede die meisten Anwesenden am tiefsten berührte. Später sprach der Australier John Dickson in seiner Rede über die Wichtigkeit von Demut im Leben einer Leitungsperson. Maggie Gobran verkörperte das, was er sagte. Geboren als jüngste Tochter einer angesehenen ägyptischen Arztfamilie, hat die koptische Christin an einer Eliteuniversität in Kairo unterrichtet. Inspiriert von einer Tante, die ihr Leben den Armen widmete, hat sie vor 25 Jahren den Ruf Gottes vernommen, um in ihre Fußstapfen zu treten. „Seitdem“, so sagt sie, „hat der Herr Jesus mich Schritt für Schritt geführt.“ Als sie vor 25 Jahren erzählte, Gott habe ihr gesagt, sie solle von den Klügsten an der Universität zu den Ärmsten auf den Müllkippen gehen, wurde sie ausgelacht. Jetzt im Auditorium der Willow Creek Gemeinde sind es die Geschichten von den Kindern auf den Müllkippen von Kairo, die einem am tiefsten unter die Haut gehen. „Die Kinder hungern nach Brot, aber auch nach Liebe.“ Sie erzählt von einem jungen Geschäftsmann, der sie eines Tages anspricht. Als Kind sei er ihr begegnet. Er war damals verzweifelt und wollte Selbstmord begehen. „Du hast mich umarmt und mir aus der Bibel zitiert: ‚Ich kann alles tun durch den, der mich mächtig macht, Christus.’“ Die Liebe, die in ihrer Umarmung zum Ausdruck kommt und Gottes Wort aus der Bibel retten dem Jungen das Leben. Nach und nach hat Maggie Gobran ihren gesamten Besitz hergegeben. Als Tochter eines Arztes hatte sie sich viel kaufen können. „Später erfuhr ich, dass Eleganz von innen kommt.“ Um offen zu werden für Gottes Botschaften, liest sie jedes Jahr einmal die Bibel durch und geht zunächst einen Tag pro Woche und dann alle paar Monate eine Woche lang in die Stille. „Dies ist nicht leicht“, sagt sie, „aber wichtig. In der Stille erhaschen wir etwas von der Ewigkeit.“ „Wir können uns nicht aussuchen, wo wir geboren werden. Aber wir können wählen, ob wir Sünder sein wollen oder Heilige, ob wir ein Niemand sein wollen oder ein Held. Wenn Du ein Held sein willst, dann tue das, was Gott von Dir will.“ – Diese Kernaussage geht in dieselbe Richtung wie das, was Bill Hybels im letzten Jahr beim Summit sagte. Gott hören und den Schneid haben, zu gehorchen (so die deutsche Übersetzung des Untertitels seines 2010 erschienen Bestsellers „The power of a whisper. - Hearing God, having the guts to respond“), das ist so etwas wie das Lebensthema von Bill Hybels. Er rief im Jahr 1995 den „Leadership Summit“ ins Leben, aus dem mittlerweile der „Global Leadership Summit“ geworden ist. Gab es 1995 knapp 500 Teilnehmer, so haben in diesem Jahr neben gut 7000 Menschen im Gemeindezentrum in South Barrington etwa 60000 Personen bei live-Übertragungen in 220 Städten der USA und in Kanada der Veranstaltung beigewohnt. Von Oktober bis Dezember werden dann in 82 Ländern Videoübertragungen mit Untertiteln in der Landessprache weitere geschätzte 100000 Menschen erreichen. Damit ist diese Veranstaltung der größte christliche Leitungskongress weltweit.

Eigentlich sollte Bill Hybels das florierende Geschäft seines Vaters übernehmen. Aber nach einer Vorlesung in Theologie, das er interessehalber studiert, hat er den inneren Eindruck, als würde Gottes Stimme zu ihm sagen: „Gründe eine Gemeinde.“ Zu diesem Zeitpunkt leitet er eine Jugendgruppe in einer bestehenden Kirchengemeinde in Chicago. Innerhalb von drei Jahren war es ihm und seinen Mitarbeitern gelungen, die Jugendgruppe von zwei Dutzend auf 1000 Jugendliche zu vergrößern. Dann verspürt Bill Hybels den angesprochenen Impuls, eine eigene Gemeinde zu gründen. In der Stadt Palatine vor den Toren von Chicago mietet der gerade einmal 23-Jährige zusammen mit einer kleinen Gruppe Gleichgesinnter im Oktober 1975 Sonntags vormittags zur Feier von Gottesdiensten ein Kino. Der Name des Kinos, „Willow Creek Movie Theater“, steht Pate für den Namen der Gemeinde und wird auch beibehalten, als man sechs Jahre später in eigene Räumlichkeiten in den Nachbarort South Barrington zieht, weil das Kino Sonntags morgens aus allen Nähten platzt. Es gelingt Bill Hybels aus der „Willow Creek Community Church“ innerhalb eines Jahrzehnts eine der größten Einzelkirchengemeinden der USA zu machen, zu deren Gottesdiensten an den Wochenenden heute durchschnittlich mehr als 20000 Menschen kommen. Hybels sieht beinahe täglich, wie sich das Leben von Menschen durch die Mitgliedschaft und Arbeit in der Kirchengemeinde zum Positiven verändert, was für ihn eine große Motivation darstellt. „Es gibt nichts, was mit der Ortskirchengemeinde vergleichbar ist, wenn die Ortskirchengemeinde richtig funktioniert. Sie verändert Leben – Herz für Herz, Seele für Seele, Leben für Leben. Deshalb ist die wichtigste Sache, die ich tun kann, mein Herz der Sache Christi zu widmen.“ 

Auf Grund des Wachstums von Willow Creek wird er immer öfter von Pfarrern und Gemeindeleitern angefragt, ihnen Tipps für ihre Arbeit zu geben. Nach anfänglichem Zögern lässt er sich darauf ein und verspürt nach seinem ersten Tag als Referent bei einer Fortbildung erneut einen inneren Impuls, so als würde Gott zu ihm flüstern: „Diene Pastoren!“ Er fängt damit an, Fortbildungsveranstaltungen in den USA und schließlich auch in Übersee zu organisieren, bis er schließlich 1995 damit beginnt, jährlich den „Leadership Summit“ durchzuführen. Hauptzielgruppe sind Pfarrer und Pfarrerinnen sowie andere Leiter christlicher Gemeinden bzw. Gruppen. Unzählige Male hat Bill Hybels gesagt: „Die Ortskirchengemeinde ist die Hoffnung der Welt.“ Nachdem er viel in der Welt herumgekommen ist, viele blühende, aber auch viele vor sich hin dümpelnde Gemeinden gesehen hat, gibt er diesem Satz eine Fortsetzung: „Aber um ihr volles Potential auszuschöpfen, muss sie gut geleitet werden.“  „Jeder gewinnt, wenn der Leiter besser wird. Und jeder Leiter kann besser werden, wenn er es will. Gute Leiterschaft macht den Unterschied.“ Dabei ist Bill Hybels davon überzeugt, dass kirchliche Leiter auch von Leitern aus anderen Berufen lernen können. Aus diesem Grund lädt er neben Leitern aus der Kirche auch Führungspersönlichkeiten aus anderen Bereichen ein: Hochrangige Politiker wie Jimmy Carter, Bill Clinton, Tony Blair oder in diesem Jahr Cory Booker waren Redner beim Leadership Summit ebenso wie Jack Welch oder Jim Collins aus dem Bereich der Wirtschaft, Tony Dungy aus dem des Sports und Bono von U 2 aus dem Musikgeschäft.

„Unsere Welt ist gebrochen“, sagt Bill Hybels nach der Rede von Maggie Gobran. „Und es wird immer schlimmer. Deshalb sucht Gott nach Leitern mit starken Schultern, die sagen: ‚Ich bin verfügbar.’“ Fühlen Sie sich angesprochen?

Udo Nilius

 

Info: Deutschland ist derzeit das einzige Land außerhalb der USA, in dem ein Willow Creek Leitungskongress live durchgeführt wird. Der nächste Kongress mit Bill Hybels als Hauptredner findet vom 06 – 08. Februar 2014 in Leipzig statt.

Nicht zuletzt durch solche Kongresse hat Willow Creek mittlerweile auch viele Kirchengemeinden in Deutschland positiv beeinflusst. In einer von dem Theologieprofessor Wilfried Härle initiierten Untersuchung von 32 evangelischen Kirchengemeinden, die zwischen 2003 und 2006 in Bezug auf den Gottesdienstbesuch und/oder in Bezug auf die Gemeindegliederzahl gewachsen sind, wurden 13 durch die Arbeit von Willow Creek beeinflusst.

 

 Websites:

http://www.willowcreek.com/events/leadership/index.asp(Infos zum Leadership-Summit)

http://willowcreek.de (Infos zum Kongress in Leipzig)

http://www.youtube.com/watch?v=mNfLJZyQwPg&feature=related (Kurzausschnitt der Rede von Maggie Gobran)

http://www.stephenschildren.org/  (Website der von Maggie Gobran initiierten Arbeit in Kairo)

 

Literatur:

Bill & Lynne Hybels, Gemeinde neu entdeckt. Die Geschichte von Willow Creek, Asslar 2006.

Bill Hybels, Gottes leise Stimme hören. Wie Gott zu uns spricht – und was passiert, wenn wir ihm folgen, Asslar 2011.

Bill Hybels, Mutig führen. Navigationshilfen für Leiter, Asslar 2002.

Bill Hybels, Die Kunst des Führens. Meine Führungsprinzipien auf den Punkt gebracht, Asslar 2009.

Bill Hybels, Als Christ erfolgreich führen. Was Sie zu einer effektiven Führungskraft macht, Asslar 2008.

Wilfried Härle u. a., Wachsen gegen den Trend. Analysen von Gemeinden, mit denen es aufwärts geht, Leipzig 2008.